Einst war die “Bremen” der modernste Seenotrettungskreuzer. Heute liegt er als schwimmendes Denkmal im Vegesacker Hafen. Am Wochenende können Interessierte das Schiff beim Festival Maritim besichtigen.

Der einstige Seenotrettungskreuzer „Bremen“, 1931 bei der Lürssen-Werft gebaut, kann beim Festival Maritim besichtigt werden.
Foto: Christian Kosak

Vor 60 Jahren hatte der Seenotrettungskreuzer “Bremen” einen seiner letzten Einsätze. Und der hatte es in sich. In der Nacht zum 2. August 1964 rettete die Besatzung der Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) in einem dramatischen Nachteinsatz in der Nordsee 25 Seeleuten das Leben. Heute fristet der ehemalige Versuchskreuzer ein geruhsameres Dasein im Vegesacker Museumshaven. Am Wochenende können Interessierte den Oldie beim Festival Maritim genauer unter die Lupe nehmen, wenn die Crew zum “Open Ship” einlädt.

Doch was war in der Nacht vor 60 Jahren geschehen? Die DGzRS berichtet: Am Vorabend des 2. August 1964 herrschte Westnordwest-Sturm mit schweren Böen, als ein Alarm die DGzRS-Station Amrum erreicht. Der 134 Meter lange Erzfrachter „Pella“ ist im Rütergatt, etwa sieben Seemeilen südwestlich der Insel, gestrandet. Der auf Amrum stationierte Seenotrettungskreuzer “Bremen” läuft aus. Anfang der 1950er-Jahre war er zum Versuchsfahrzeug umgebaut worden: Erstmals hat er das seither DGzRS-typische Tochterboot an Bord.

“Bremen” zunächst nur in Bereitschaft

Gegen 21.30 Uhr ist die “Bremen” vor Ort. Doch der Kapitän der „Pella“ erkennt die gefährliche Lage seines Schiffes nicht an. Er hofft, aus eigener Kraft wieder freizukommen. Trotzdem hielt sich die “Bremen” in der Nähe bereit. Sie ging 30 Meter in Lee des Frachters “Stand-by”.

In der Nacht läuft der Doppelboden der „Pella“ voll Wasser. Die Flurplatten des Maschinenraums heben sich bedenklich. Gegen 3.30 Uhr hat die Gezeitenströmung Bug und Heck so weit unterspült, dass es bei halber Tide und auflaufendem Wasser im Rumpf zu knacken beginnt. Zwischen Brücke und Schornstein klafft ein zunächst dünner Riss. Unter Lärm, der an Kanonenschüsse erinnert, wird er von Minute zu Minute breiter.

In mehr als 30 gefahrvollen Anläufen rettete der Seenotrettungskreuzer ”Bremen” am 2. August 1964 die 25-köpfige Besatzung der „Pella“ vor Amrum.

Foto: Die Seenotretter – DGzRS

Sofort beginnen die Seenotretter, die Besatzung des Frachters zu retten. Die Seeleute sind auf das Vorschiff geflüchtet. Überschüttet von Gischt und Brandungswellen arbeitet sich die “Bremen” in schweren Regenschauern immer wieder an das Wrack heran. In der folgenden Stunde gelingt es den Seenotrettern, in mehr als 30 gefahrvollen Anläufen nach und nach die 25-köpfige Besatzung zu retten. “Immer, wenn die ‘Bremen’ von einer Welle bis an die Reling der ‘Pella’ gehoben wird, springen die Seeleute an Deck des Seenotrettungskreuzers – in der ständigen Gefahr, in die tosende See zu stürzen. Doch das scheinbar Unmögliche gelingt”, heißt es in dem Bericht. Als die Seenotretter den letzten Seemann der „Pella“ an Bord haben, ist der Frachter hinter der Brücke durchgebrochen. Einziger zu beklagender Verlust aufseiten der Retter ist eine Funkantenne der “Bremen”.

Ehrenamtliches Engagement

Strömung und Brandung versetzen die beiden Teile der „Pella“ rasch. Allmählich versinken sie im feinen Mahlsand. Der dramatische Rettungseinsatz mit der großen Zahl Geretteter geht als einer der bedeutendsten in die Geschichte der DGzRS ein, betonen die Seenotretter heute. Die “Bremen” wird ein Jahr später außer Dienst gestellt. Die Station Amrum erhält den Seenotrettungskreuzer “Ruhr-Stahl”.

Jahrzehnte später werden die Wrackteile der „Pella“ einem Büsumer Fischkutter zum Verhängnis. Am 16. August 2001 verhaken sich seine Netze, der Kutter kentert, die beiden Fischer müssen ihr Schiff verlassen. Der nun auf Amrum stationierte Seenotrettungskreuzer “Eiswette” rettet sie aus der Rettungsinsel. Heute versieht der Seenotrettungskreuzer “Ernst Meier-Hedde” von Amrum aus den Such- und Rettungsdienst im Revier rund um die Insel und bis weit in die Deutsche Bucht hinein.

Die “Bremen” erinnert derweil im Vegesacker Museumshaven an die Anfänge der modernen Seenotrettung. Eine ehrenamtliche Crew hält das Traditionsschiff mit regelmäßigen Arbeitseinsätzen in Schuss. Zudem laufen Bemühungen, perspektivisch das verschollene Tochterboot zu rekonstruieren.

Von Björn Josten / Weser-Kurier

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