Regelmäßig lädt der MTV Nautilus zu Fahrten mit der “Vegebüdel” ein. Was sich dabei erleben lässt.
15.08.2023, 18:00 Uhr
Von Christa Neckermann Weser-Kurier
Die Vegebüdel macht sich zum Ablegen bereit.
Foto: Christa Neckermann
Da liegt sie an der Vegesacker Signalstation und tuckert vergnügt vor sich hin, die Barkasse “Vegebüdel”. Und anders als vergnügt ist der Klang der Dreizylinder-Motoren kaum zu beschreiben.
An der Anlegestelle Signalstation am Weserufer warten bereits einige Fahrgäste darauf, dass der Zugang zur Barkasse freigegeben wird. An Bord bereiten inzwischen Decksmann Hans Drechsler, Maschinist Detlef Stahmer und Skipper Axel Seemann alles für die etwa 45-minütige Fahrt auf der Weser vor, die bis kurz vor das Lesumsperrwerk, dann ein Stück die Weser hinab und entlang der Maritimen Meile wieder zum Anleger führt.
Decksmann Hans Drechsler hat sich ein Mikro angeschnallt, um von den zwölf Passagieren gut verstanden zu werden, wenn er Fakten und Döntjes rund um die alte Barkasse und die Strecke entlang der Weser erzählt.
Liebevoll kümmert sich Maschinist Detlef Stahmer um den Dreitakter-Motor.
Foto: Christa Neckermann
„Die Barkasse heißt übrigens nicht deshalb Barkasse, weil sie inzwischen schon vollständig abbezahlt wurde“, flachst Drechsler. Die Bezeichnung „Barkasse“ stamme aus dem Italienischen, erläutert Drechsler, und bezeichne ein kleineres Boot, das in erster Linie Personen durch den Hafen kutschiere. Ursprünglich sei eine Barkasse ein größeres Beiboot gewesen, heute handle es sich meist um ein größeres Motorboot.
Während es sich die Passagiere auf dem Deck unter einer regenfesten Persenning gemütlich machen, serviert das vierte Besatzungsmitglied, Nils Goebel, der früher einmal als Kapitän auf großer Fahrt die Weltmeere bereiste, die Getränkeangebote. Kaffee gibt es da, Mineralwasser oder auch beliebte Softdrinks. „Kostet nichts“, sagt Goebel, aber man würde sich über eine Spende in die Schiffsspardose freuen. „Wir müssen den Kahn ja auch irgendwie unterhalten.
Die Vegebüdel hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich, erzählt wieder Hans Drechsler. „Eigentlich besteht die Maschine aus zwei alten Motoren, die aus Fischkuttern geborgen wurden, die während des Zweiten Weltkrieges vorsichtshalber versenkt wurden, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen“.
Heutzutage muss das Lesumsperrwerk bis zu 40-mal im Jahr geschlossen werden, um Überflutungen des Hinterlandes abzuwenden.
Foto: Christa Neckermann
Die Hülle, die Barkasse selbst, wurde dagegen 1950 als „Die Alte Liebe“ von der Hamburger Schiffswerft Scheel & Jöhnk abgeliefert. Nach einem kurzen Einsatz im Hamburger Hafen verlegte die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung das Bereisungsschiff an die Weser und taufte sie in „Lienen“, nach dem gleichnamigen Elsflether Stadtteil, um.
Seither war sie schon als Eisbrecher auf der Hunte unterwegs, machte Dienst bei Wartungsarbeiten an den Fahrwassertonnen und Uferbefestigungen und war sogar eine Zeit lang in privatem Besitz, um hier als Vergnügungsschiff zu dienen.
„Sie dürfen gerne mal in den Maschinenraum“, lädt Detlef Stahmer ein, auch der Steuerstand darf besucht werden. Derweil gleitet die Vegebüdel die Weser hinauf und biegt in die Lesum ein. Vor den großen Fluttoren des Sperrwerks wird gedreht. „Bei unseren Lesumfahrten fahren wir bis zur Ritterhuder Schleuse“, erläutert Drechsler. Doch heute wird hier abgebrochen und dann die Weser Richtung Nordsee unter den Kiel genommen.
Entlang der Maritimen Meile sind die Villen der Kaufleute, Kapitäne und Reeder zu bewundern.
Foto: Christa Neckermann
Das Lesumsperrwerk wurde gemäß einem Staatsvertrag vom 18. September 1968 zwischen den Ländern Niedersachsen und Bremen zwischen 1971 und 1974 erbaut. Der Bau des Lesumsperrwerks sollte gleichzeitig mit der Errichtung des Ochtumsperrwerks (bei Lemwerder-Altenesch) und des Huntesperrwerks (bei Elsfleth) erfolgen, da die Errichtung eines einzelnen Sperrwerks die Pegelstände in den anderen Gewässern hätte negativ beeinflussen können.
„Mussten die Sperrwerkstore in den Jahren nach Fertigstellung nur etwa viermal pro Jahr geschlossen werden, um eine Überflutung des Hinterlandes zu verhindern, so wird das Sperrwerk heute bis zu 40-mal im Jahr geschlossen“, erklärt Drechsler den Fahrgästen.
Mit dem gemütlichen Tuckern der Motoren im Ohr geht es mit der “Vegebüdel” die Weser hinab. Die ehrenamtlichen Schipper nennen es die „Rückseite der Welt“, wenn sie mit der Barkasse an den Werften Lürssen und Abeking & Rasmussen vorbeituckern. Da liegt zum Beispiel eine schwarze Luxusjacht, die einem Scheich gehört. „Ich habe mir sagen lassen, dass ein laufender Meter dieses Schiffes etwa 3,5 Millionen Euro kostet“, sagt Drechsler. Die Jacht ist wahrlich imposant und wird von allen Mitreisenden auf die Handy-Chipkarte gebannt.
Auch bei Abeking & Rasmussen steht eine Jacht vor der Halle. Die habe Agha Khan gehört, erläutert Drechsler. Der Fürst habe die Jacht einzig zu dem Zweck bauen lassen, um damit den Atlantik zu überqueren und so das berühmte „Blaue Band“ zu gewinnen. Mit einer Reisedauer von 54 Stunden habe das auch geklappt, versicherte Drechsler, obwohl seine Hoheit dann doch nicht das „Blaue Band“ entgegennehmen konnte, denn: „Das wir nur an Passagierschiffe im Linienverkehr verliehen.“