Harriersand

VonAenne Sammet

Sep 15, 2019

Utopia mit kleinen Fehlern – 1834: Die Auswanderer vom Harriersand – Klönrunde des MTV Nautilus am Donnerstag, dem 19. September 2019 im NAUTILUSHAUS am Museumshaven in Bremen-Vegesack

Alles, was schief gehen kann, das ist einer der Grundkonstanten für das Leben auf christlicher Seefahrt, geht irgendwann schief. So gesehen lässt sich eine Strandung auf der Weserinsel Harriersand möglicherweise noch halbwegs verkraften. Halbwegs, selbst wenn noch ein langer Weg vor einem liegt oder lag. Für diesen Fall, der sich im Frühjahr 1834 zugetragen hat, über den ganzen Atlantik hinüber, den, so sehen das nicht nur Landratten, ganz großen Teich.
Wie aber kam es zu einem solchen Fall auf dem damals kaum mehr als eine Sandbank verkörpernden Harriersand? Von Gießen kommend, hatte sich eine Schar von der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland überdrüssigen Auswanderungswilligen aus Hessen, Bayern und Thüringen nach Bremen in die Obhut der dort ansässigen Betreiber von Auswandererschiffen begeben. Die gebuchte Passage freilich ließ sich nicht realisieren. Das für diesen Zweck in Aussicht gestellte Schiff war fünf Tage vor der geplanten Abfahrt gesunken.
Dass guter Rat nicht teuer sein sollte, ist allen Reedern nicht neu. Die gescheiterten Emigranten, 500 an der Zahl, müssten eigentlich von Bremerhaven, ihrem Abgangshafen, nach Bremen in die Obhut der Betreiber ihres Reiseunternehmens zurückgeführt werden. Ein Teil von ihnen gelangt sogar fast wie geplant auf ein Schiff, die >Olbers< und geht damit auf große Fahrt. Der verbliebene Rest wird auf Betreiben der im Auswanderungsgeschäft überaus aktiven Bremer Familie Delius auf die gegenüber von Brake liegende Weserinsel Harrien, damals kaum mehr als eine Sandbank, expediert und verbleibt dort, ohne Trinkwasser und angemessene Grundversorgung, über mehr als fünf Wochen. Fünf Tage waren eigentlich geplant.
Hohe Erwartungen und niedrige Beweggründe: Die Geschichte der 1834 auf Harriersand gestrandeten Gießener taugt zum Lehrstück für alles, was Menschen mit Utopia verbinden. Ziel der von dem Juristen Paul Follenius und dem Pastor Friedrich Münch dirigierten >Gießener Auswanderungsgesellschaft< ist die Gründung einer freien deutschen Republik auf nordamerikanischem Boden. Dass dort seit einem halben Jahrhundert ein Staat mit dezidiert republikanischer Verfassung existiert, tut für sie nichts zur Sache, so wenig, wie sie irgendetwas von den Beschwernissen einer Seereise dorthin ahnen. Es eint sie die Unbedingtheit ihres Glaubens an ein besseres Morgen. Harriersand als Sehnsuchtsort freilich weckt in so manchem von ihnen erste Zweifel. Gleichwohl: Mit einem weiteren Schiff, der >Medora<, gelangt auch der schon spürbar angeschlagene Rest der Gruppe in die Vereinigten Staaten.
Was sie wollten, was sie wurden, wie es die Gießener Auswanderer auf die Weserinsel Harriersand verschlug und wie sie dort ihren Überlebenskampf führten, darum geht es bei der Klönrunde des MTV Nautilus am Donnerstag, dem 19. September 2019. Beginn um 19 h im NAUTILUSHAUS, Zum Alten Speicher 7 in 28759 Bremen. Präsentation und Moderation: Gerald Sammet.